Xxii. §. ]2. Eintritt der spanischen Macht mit ihren Entdeckungen rc. 463
§. 12. Eintritt der spanischen Macht mit ihren Ent-
deckungen in die Völkergeschichte.
Von den östlichen Grenzlündern des südlichen Europa müssen
wir uns, ehe wir wieder zu dem Mittelpunkte unserer Geschichte, nach
Deutschland zurückkehren, noch erst zu dem äußersten Westen wenden,
zu den Völkern der pyrenäischen Halbinsel. Deren Privaterziehung
(wenn man es so nennen mag) war soeben vollendet und sie wur-
den nun berufen zum Miteingreifen in die Entwicklung der europäischen
Christenheit. Es war freilich ein trauriger und bald vollendeter Be-
ruf, der ihnen zu Theil geworden ist, nämlich der, die wankende Macht
des Papstthums und des gesammten Katholicismus mit ganzer Kraft,
mit List und Gewalt zu stützen und ihm neue Siege zu verschaf-
fen nicht bloß in Europa, sondern auch in den fernen Ländern neu
entdeckter Welttheile. Denn obwohl jetzt ein neuer Zeitabschnitt sich
vorbereitet, da ein mündig gewordenes Geschlecht dem Gängelbande
der päpstlichen Priesterschaft sich entzieht und die, welche sich nach
Wahrheit sehnen, die Wahrheit wirklich finden und bekennen können,
so haben wir doch nirgend eine Zusage, daß das Papstreich lediglich
durch die Verbreitung evangelischer Wahrheit gestürzt werden wird.
Das sind ganz andere Mächte, die es stürzen sollen. Wider die Be-
kenner der Wahrheit entwickelt es nach augenblicklichem Zurückweichen
und trotz der bedeutenden Verringerung seines Gebiets eine desto grö-
ßere Energie des Widerstandes und des Angriffs, und Spanien ist es,
welches ihm zu diesem Zweck diesseits und jenseits des Oceans gleich
anfangs und für lange Zeit seine geistigen Kräfte und seine Waffen leiht.
Im ersten Augenblick, da wir uns jetzt von dem jammervollen
Bild des untergehenden Griechen- und des aufsteigenden Türkenreichs
nach der spanischen Halbinsel hinüber wenden, werden wir freilich mit
Bewunderung und Freude erfüllt. Da sehen wir nämlich ein umge-
kehrtes Schauspiel: die einst so mächtige arabische Herrschaft in Spa-
nien geht zu Grunde, das letzte mohamedanische Königreich Gra-
nada wird unterworfen und in großer Herrlichkeit breiten sich die
einst von den Arabern bis in die äußersten Schlupfwinkel der nörd-
lichen Gebirge verfolgten Christen, im Glanze tausendfacher Siege,
als zwei oder drei mächtige Königreiche von den Pyrenäen bis zur Spitze
von Gibraltar aus. Aber so wie man den Blick wendet und im Hin-
tergründe der siegreichen Ehristcnschaaren die Scheiterhaufen flammen
sieht, auf denen Juden und Saracene» und Ketzer zu Tausenden er-
barmungslos verbrannt werden, wenn man in die finsteren Kerker der
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Gibraltar
Extrahierte Ortsnamen: Europa Deutschland Europa Spanien
Xxii. §. 12. Eintritt der spanischen Macht mit ihren Entdeckungen »c. 465
lich dem Mittlern und südlichen, war noch nie eine Kunde nach Europa
gekommen. Da trieb zuerst seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts die
Forschbegier, die Ruhmsucht, der Golddurst die kühnen Entdecker aus
Portugals Häfen die west-afrikanische Küste hinab, bis sie (1471) die
Bucht von Guinea und (I486) durch Diaz das Cap der guten Hoff-
nung erreichten. Aber von Allem, was die Portugiesen in Afrika fanden,
'' interessirte sie nichts als das Gold. Die elenden Haufen der nackten
Wilden überließen sie auch ferner sich selber. Nur an den Küsten von
Guinea und Mozambique legten sie später ihre Niederlassungen
an und bauten daselbst ihre Städte mit Kirchen und Klöstern. Ihr
eigentliches Ziel war aber ein anderes: das reiche Wunderland Ost-
indien. Im Jahr 1498 erreichten sie es. Da trat ihnen eine viel-
tausendjährige Cultur mit allem Schimmer des äußern Glanzes ent-
gegen. Aber die Grundlagen dieser alten Heidenstaaten waren längst
schon morsch geworden. Mohamedanische Waffen hatten die meisten
indischen Radschas besiegt, und eine schwere religiöse und nationale
Zerrüttung hatte um sich gefressen wie ein Krebs, und die innersten
Säulen des uralten Domes indischer Herrlichkeit zerstört. Da kamen
die Portugiesen. Nicht zogen sie mit Kriegsheeren in das Innere des
Landes, aber die Küsten unterwarfen sie sich, die Häfen von Malabar,
von Malacca, von Sumatra und Java öffneten sie sich, ihre Forts und
Factoreien erhüben sich aus den Molukken, wie auf Ceylon und den
Küsten von Ormus. Von Goa aus herrschten ihre kühnen und klugen
Vicekönige über ein weites Jnselreich von den Sunda-Inseln und Ma-
cao bis nach Socotara. Mit den Kriegsleuten zogen die Mönche aus,
um die unterworfenen Heiden zu taufen, und neben den Regierungsge-
bäuden und Handelsmagazinen erhoben sich die christlichen Kirchen und
die Klöster der Franciscaner. Wie viele Thaten der Finsterniß aber
auch bei dieser Ueberwältigung friedlicher Völker und dem Bekehrungs-
zwang fanatischer Priester verübt sein mögen, so fallen doch die portu-
giesischen Verschuldungen in Ostindien weit weg gegen das schreck-
liche Nachtstück, welches die spanische Eroberung der amerikanischen
Länder vor uns aufrollt. Am Ende des Jahres 1492 nahm der erste
Entdecker, der hoch berühmte C o l u m b u s, die Insel Haytioderhispantola
in Besitz und fand daselbst etwa eine Million Menschen, schwach und
gutmüthig, die keinen Widerstand leisteten, von denen nichts zu besor-
gen war. Und am Ende des Jahrs 1508 fand man keine 60,000 mehr
übrig. Wo waren die 940,000 geblieben? Sie waren alle umgekom-
men, verhungert, zermartert, aus den Aeckern, in den Bergwerken, bei
den Bauten, in den Gefängnissen der Spanier oder an den eingeschlepp-
ten Krankheiten zu Grunde gegangen. Als der waghalsige und uner-
schütterliche Cortez mit 600 Spaniern und 10,000 Eingebornen, welche
die drückende Oberherrschaft des eingedrungenen Aztekenstammes abschüt-
teln wollten, das weite, wohl verwaltete mericanische Reich und die
glänzende Hauptstadt Merico eroberte (1521), da bekamen die Folter-
werkzeuge, die Henkerbeile und die Scheiterhaufen eine schreckliche Ar-
beit. An einem einzigen Tage wurden 40,000 Mericaner niedergemacht,
und an einem andern 400 Edle langsam verbrannt. Zwar diese
». Rohden, Leitfaden. 30
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Extrahierte Personennamen: Diaz Malacca
Extrahierte Ortsnamen: Europa Portugals Guinea Afrika Guinea Mozambique Sumatra Ceylon Socotara Ostindien
62-1 Xxv. §. 10. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt.
thum, welches den Franzosen hatte in die Hände fallen und sie stär-
ken können, vernichtet. Ohne Obdach, ohne Nahrung, ohne Kleidung,
ohne jegliche Möglichkeit der Verpflegung sollte das französische Heer
dem schrecklichen russischen Winter entgegengehen. Und der Herr,
der über den Wollen thronte, gab sein Ja zu diesem kühnen Plan,
und schickte eine Winterkälte so früh, so gewaltig, so durchdringend
(die Kälte stieg über 26 Grad), daß eben nur russische Krieger der-
gleichen ohne Schaden zu ertragen vermochten. Und dann wieder,
da dem zurückkehrenden, verstörten, erfrierenden, verhungernden Heere
das winterliche Eis noch hätte zur Brücke dienen mögen, ihm den
Uebergang über die Ströme zu erleichtern, da gerade ließ derherr —
mitten im Winter und zur ungewöhnlichsten Zeit plötzliches Thauwetter
eintreten, und in den Flnthen der Beresina fanden die letzten noch
einigermaßen zusammenhängenden Reste der vor wenig Monaten noch so
hochstolzierenden Hauptarmee ihren Untergang. Und wie sie nun wieder
über die deutschen Grenzen hereinkamen, die elenden halbnackten Gestalten,
in die abenteuerlichsten, schmutzigsten Lumpen gehüllt, von Hunger und
Krankheit fast unkennbar geworden — ach ja, welches mitleidige Herz hätte
da nicht Erbarmen und Samariterdienst üben sollen.
Aber es ging nicht bloß ein schauerndes Gefühl der göttlichen Gerech-
tigkeit durch das ganze Land, der göttlichen Gerechtigkeit, die dies ruchlose
Volk endlich gefunden hatte, das mit Brod und Eigenthum, Gesundheit
und Leben der besiegten Völker früher so greuelvoll und gotteslästerlich um-
gegangen war, sondern auch die allgemeine, erst leise, dann immer lau-
tere Hoffnung: jetzt sei die Stunde der Erlösung da. Und sie
war es. Freilich noch nicht so bald als die feurigsten Gemüther
meinten. Noch war ganz Preußen mit seiner Hauptstadt und allen
seinen Festungen in französischen Händen. Erst mußte der König sich
aus der fremden Gewalt nach Breslau gerettet, erst mußte Ostpreu-
ßen, von den Russen besetzt, sich mit einmüthiger Begeisterung zum
Kampf gegen die Dränger erhoben haben, erst mußte durch Aork's
Abfall vom französischen Heer jeder Weg zur Wiederverftändigung mit
dem ergrimmten Franzosenkaiser abgeschnitten sein, ehe der königliche
Ruf zu den Waffen, zu den Waffen erscholl, und jener Begeiste-
rungssturm in allen preußischen Provinzen hervorbrach, von Kem
kein edles Herz ohne die tiefste Empfindung lesen, dem nichtsaehnlicheö
in der deutschen, in der Weltgeschichte an die Seite gestellt werden
kann. Selbst jener vielbesungene begeisterte Aufbruch zu den ersten
Kreuzzügen, wie tritt er gegen die glorreiche Erhebung Preußens
zum Freiheitskampfe in den Hintergrund. Nicht bloß sich selbst, seine
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678 Xxv. §. 15. Blick in die Zukunft.
und nahm sie alle dahin (Mt. 24, 37 f. Luc. 17, 26 ff.). Aber nicht eine
neue Sündfluth wird am Ende der Tage Hereinbrechen, sondern durch
Feuer wird die ganze irdische Schöpfung zerstört werden. Die Him-
mel werden vom Feuer zergehen, sagt Petrus, mit großem Krachen,
und die Elemente werden vor Hitze zerschmelzen, und die Erde und
die Werke, die darinnen sind, werden verbrennen. Darnach aber wird
kommen ein neuer Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtig-
keit wohnet (2 Petr. 3, 10 ff. Offb. 21). Wann dies geschehen
wird, weiß Niemand, kann auch Niemand berechnen (Mt. 24, 36.
42 ff.). Niemand als die gläubigen, allezeit wachsamen Seelen wer-
den auf diesen Tag vorbereitet sein. Die meisten Christen, auch die
sonst den Herrn lieb haben, werden doch von diesen Ereignissen so
gänzlich überrascht werden, wie von dem nächtlichen Einbruch eines
Diebeö; und die ungläubige Welt wird die Möglichkeit eines solchen
Endes eben so sehr bestreiten und verspotten, wie sie die Möglichkeit
der Sündfluth zu der Zeit Noah verspottete (2 Petr. 3, 3—7).
Obgleich man aber Tag und Stunde durchaus nicht wissen kann und
wissen soll, so hat der Herr doch eine Menge Vorzeichen angegeben
(Mt. 24. Luc. 17. Marc. 13), an denen man die Nähe des Endes
erkennen kann; ja es ist uns in der heiligen Schrift ein großartiger
und vollständiger Ueberblick gegeben über alle die Hauptereignisse,
welche erst vollendet sein müssen, ehe das Ende kommt. Wenn wir
also dies große und heilige Register nachsehen und uns fragen,
wie viel davon bisher in Erfüllung gegangen ist, so werden wir mit
ziemlicher Sicherheit überschlagen können, wie viel und was noch ge-
schehen wird, ehe das Ende kommt. Da erinnern wir uns zuerst
an die Stelle aus dem Daniel (2, 44), welche das Motto dieses Bu-
ches bildet. Die dort geweissagten vier Weltreiche liegen hinter uns.
Das letzte derselben, das römische, ist in eine Vollzahl einzelner Kö-
nigreiche aufgelöst, welche den römischen Grundstoff mit einem frem-
den, dem germanischen, vermischt enthalten. Das Reich Christi ist auf-
gerichtet und erfüllet die Welt, bis jetzt noch in Niedrigkeit und Knechts-
gestalt, aber es wird die Zeit kommen, und die haben wir jetzt noch
zu erwarten, wo alle Königreiche durch das Reich Christi, welches
ewiglich bleibt, zermalmt und zerstört werden, wo also Christus nicht
mehr bloß als der Herrscher über die Herzen der Gläubigen, wie bis-
her, sondern alö der Herrscher über alle irdische Gewalt und Macht
der Könige und Fürsten dieser Welt offenbar werden wird.
In der Wiederholung des Gesichts von den vier Weltreichen
(Dan. 7) tritt noch ein neuer Zug hinzu. Zu der Zeit nämlich, wenn das
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Extrahierte Personennamen: Luc Petrus Luc Marc Christus
I. §. 4. Die Sündfluth (2300 v. Ehr.).
9
großen Störung aller irdischen Verhältnisse durch eine ungeheure
Ueberfluthung. Gleichwohl scheint es nicht, als ob unter allen Über-
resten, welche jetzt die nachgrabende Menschenhand aus der vorsündfluth-
lichen Zeit in dem Erdschichten noch wieder auffindet, irgend ein mensch-
licher Ueberrest oder ein Werk von Menschenhänden zu entdecken sei.
Es wird sich wohl in seinem ganzen Umfange bewahrheiten das alte
Wort: die Fluth hat ihren Grund weggewaschen (Hiob 22, 16).
Bleibet uns nun auch nach den Worten des Apostels 1 Petr. 3,
19. 20 noch eine leise Hoffnung, daß auch von Denen, welche da-
mals in den Fluthen ihr Grab fanden, noch etliche zur Seligkeit be-
rufen sind, nachdem die göttliche Barmherzigkeit durch jähen Tod die
Weiterentwickelung ihrer Bosheit bis zur gänzlichen Verstockung un-
terbrochen und gehindert hatte, so lautet doch im Allgemeinen das
biblische Urtheil über jene Umgekommenen also: die einstmals nicht
glaubeten, die Welt der Gottlosen, hörete nickt auf den Prediger der
Gerechtigkeit, der unter ihnen war (2 Petr. 2, 5), und verhärtet sich
also, daß auch eines Noah Fürbitte für sie nicht mehr konnte ange-
nommen werden (Ez. 14, 20).
Dieser ganzen Welt voll Unglaubens und Empörung wider Gottes
Wort und Geist stand nur der einzige Noah gegenüber und ehrete Gott
durch den Glauben, und vollzog den göttlichen Befehl, der an ihn ergangen
war, trotz alles Lachens, Spottens, Höhnens der ganzen ihn umringenden
Menscheit, und verdammete die Welt und hat ererbt die Gerechtigkeit,
die durch den Glauben kommt (Ebr. 11, 7). So ging der erste große
Abschnitt der Weltgeschichte zu Ende, und ein neuer Abschnitt begann,
da Noah auf Ararat's Gipfel aus seiner Arche stieg. Aber ach, die
Sünde war mit in die Arche hineingestiegen, und die Sünde stieg
auch wieder mit heraus. Das bezeugete Gott selbst, da er sprach
(1 Mos. 8, 21): „das Tichten des menschlichen Herzens ist böse
von Jugend auf." Auch unter diesem neuen Geschlecht zeigt sich so-
fort der Unterschied des gläubigen und des ungläubigen Menschen-
herzens. Unmittelbar unter No ah's Söhnen beginnt wieder die
alte Scheidung zwischen dem Gottesvolk des Sem, in dessen Hütten
auch Japhet wohnen soll, und dem verfluchten Geschlecht Derer, die
von Ham abstammen.
Durch die Sündfluth ward in jeder Hinsicht eine völlige Umwand-
lung auf der ganzen Erde hervorgebracht. Das Paradies versank;
die Paradiesströme verschwanden oder nahinen vor den Wüsten, Step-
pen und Morästen, die entstanden waren, einen andern Lauf; die ganze
Oberfläche der Erde verwandelte sich. Nicht minder war in den Luft-
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Vii. §. 2. Die einzelnen Bestandteile des Weltreichs und deren Mischung. 71
Herrn gemacht. 1 Mos. 10, 8 — 12 wird diese merkwürdige
Thcttsache berichtet, nämlich, daß eine hamitische Dynastie über
semitische und weiterhin auch über japhetitische Stamme die
Herrschaft gewinnt und sie zu einem gewaltigen Reich mit hamiti-
schen (schon bei Aegypten betrachteten) Staatsformen, Gottesdienst
und Lebensweise unter seinem Scepter vereinigt.
Auf keinem andern Gebiete der Welt finden wir eine ähnliche
Mischung aller drei verschiedenen Schichten des Menschengeschlechts
wieder, wie in den bezeichneten Länderstrecken zwischen dem kaspischen
und persischen Meer. Hier lagerte sich gleichsam das ganze Heiden-
thum ab. Jeder Hauptstamm gab seinen Beitrag und Alles schmolz
zu einem großen, riesigen Organismus zusammen. Bemerken wir die
Art der Zusammensetzung. Den Kern bildeten die Semiten, das
ernste, ruhige, einfache, den unsichtbaren Dingen zugewandte Geschlecht,
aber bereits getrennt von dem Volk der Wahl, dem Offenbarungsvolk
Israel, und selber in Abgötterei zurücksinkend. Neben ihnen die Ja-
phetiten, das bewegliche, thätige, vielgewandte, den Dingen dieser
Welt zngekehrte Geschlecht, welches aber doch einen innersten Zug zu
den Hütten Sem's hin, zur Beschäftigung mit himmlischen Dingen nie
verleugnen kann, das Volk unruhiger und unbefriedigter Sehnsucht,
darum kriegerisch, veränderungssüchtig, forschungslustig, in den man-
nigfaltigsten Formen und Gestaltungen die ganze Nordhälfte der alten
Welt mit politischen, sprachlichen, künstlerischen, gesellschaftlichen Neu-
schöpfungen erfüllend. Und zu diesen beiden Elementen endlich das
dritte, die Hamiten, das leidenschaftliche, grausame, genußsüchtige, in
kolossalen Anstrengungen sich verzehrende Geschlecht, zuerst von allen
gereift zu üppiger Cultur, gegliederten Staatsformen, Kunst und
Weisheil; aber unheimlich in seiner glühenden Phantasie, in seinem
trotzigen Streben, die Gottheit selber in die materielle Welt einzu-
schließen, Menschen zu Göttern zu machen oder doch mit göttlicher Hei-
ligkeit zu umkleiden und in dem Gottesdienst selber die roh-sinnliche
Lust und Genußgier zu befriedigen. Für sich allein stehend, mußte die
schnell zur höchsten Ueppigkeit herangereifte hamitische Cultur durch die
innere leidenschaftliche Gluth und Hast sich bald in sich selber verzeh-
ren (wie solches z. V. in Aegypten der Fall war). Aber in Babylon
und Assyrien fand der gewaltsame hamitische Vildungstrieb an der
semitischen Bevölkerung eine zähe Masse, die er nur langsam be-
wältigen und durchdringen konnte, und die zugleich mäßigend und er-
nüchternd auf die gewaltthätige Hast und überstürzende Neuschöpfungs-
und Gestaltungslust eines Nimrod und seiner Schaaren zurückwirkte.
Weiter aber entbehrte ein rein hamitischer und nicht minder ein rein
semitischer Staat fast ganz des kriegerisch nach außen vordringenden,
eroberungslustigen Elements, welches zugleich Geschmeidigkeit genug
besitzt, um auch auf fremde Entwicklungsformen leicht einzugehen und
sie sich anzueignen. Darum that die Beimischung der ja phetitisch en
Völker noch. Wir sehen, was irgend von natürlichen Kräften und Be-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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Extrahierte Ortsnamen: Offenbarungsvolk
Israel Assyrien
132 X. §. 9. Weitere Schwächung Griechenlands. Sparta's Abnahme.
auf seinem Zuge von Sardes nach dem Eufrat. Er siegte auch wirk-,
lich in der großen Schlacht bei Cunara, 400. Aber alle Früchte
des Sieges gingen verloren, da die asiatischen Truppen des Cyrus
nicht Stand hielten, und er selbst im Kampf erschlagen wurde. Auch
Klearchos fiel durch Verrath, und den Griechen blieb nichts Anderes
übrig, als sich unter der Führung des Len op hon mitten durch die
feindlichen Völker und Provinzen durchzuschlagen, bis sie wieder in
griechische Gebiete kamen. Daß ihnen solch ein Rückzug gelingen
konnte, lieferte den Griechen den augenscheinlichsten Beweis von der
großen Schwäche des persischen Reichs und reizte desto stärker zu
neuen Kriegszügen in Asien. Daher sehen wir gleich darauf den
Spartanerkönig Agesilaus an der Spitze eines auserlesenen Grie-
chenheeres siegreich in Klein-Asien Vordringen mit der ausgesprochenen
Absicht, den Perserkönig selber im Mittelpunkt seines Reiches aufzu-
suchen und zu stürzen. Aber hier zeigte es sich wieder, daß Griechen-
lands damaliger Zustand und Verfassung keine größeren Eroberungen
und Kriegsunternehmungen in fremden Ländern gestattete. Hinter dem
Rücken des Agesilau s, in Griechenland selber hatten die geschickten
Unterhandlungen der Perser plötzlich den Krieg gegen Sparta auge-
sacht, in dessen Folge nicht bloß der Siegeslauf des Agesilaus ge-
hemmt, sondern etwas später sogar die stolze Herrlichkeit der Spar-
taner völlig zu Boden gestürzt wurde.
Die Feinde, die sich Sparta durch sein tyrannisches Benehmen
unter den kleinen Staaten in Griechenland gemacht und die jetzt durch
persische Versprechungen und Gelder desto stärker aufgeregt waren, hat-
ten siw um das aufstrebende Theben gesammelt, welches länger und
entschiedener als die meisten übrigen dem weichlichen und genußsüchti-
gen Wesen der spätern Griechenzeit Widerstand geleistet und eben
jetzt sehr fähige Führer und Oberhäupter hatte. Der erste Versuch
gegen Sparta mißlang jedoch. In der Schlacht von Koronen be-
hatiptete der aus Asien herbeieilende Agesilaus noch einmal das
Felo (394). Aber schlimmere Feinde waren den Spartanern schon in
ihrer eignen Mitte emporgekommen. Ehrlosigkeit und weichliche Ge-
nußsucht riethen durch den Mund des schlauen und auf Agesilaus'
Kriegsruhm eifersüchtigen Antalkidas, vor allen Dingen mit den
Persern Frieden zu schließen, die nach des Agcsilauö Abzug aus
Klein-Asien die spartanische Flotte gänzlich gefthlagen und vernichtet
hatten. So kam der antalkidische Friede zu Stande, der schimpf-
lichste, den Griechenland noch je geschlossen hatte. Ganz Klein-Asien
mit allen griechischen Städten und den nächstgelegenen Inseln sollte
wieder unter das persische Joch zurückkehren. Dagegen sollten alle
Waffeneinigungcn und Vundesgenossenschasten in Griechenland aufge-
löst und alle griechischen Staaten und Städte vereinzelt werden. Sparta
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Extrahierte Personennamen: Cyrus
Extrahierte Ortsnamen: Griechenlands Sardes Cunara Asien Griechenland Sparta Sparta Griechenland Theben Sparta Asien Griechenland Griechenland
Xvii. §. 11. Gründung des Ostgothenreichs ;c. 291
und Eigenthum beschenkt, im ganzen nördlichen Frankreich und am
Rhein entlang in dichten Massen niederließen und das größtentheils
verödete und menschenleere Land in fast alleinigen Besitz nahmen, be-
setzten sie das ehemals westgothische Land südlich von der Loire nur in
sehr kleiner Zahl und in großen Zwischenräumen. Daher behielt das süd-
lich e Frankreich stets seine eigenthümliche (romanische) Bevölkerung mit
römischer Sprache und römischen Sitten, während im nördlichen Frank-
reich das germanische Wesen viel tiefer eiugriss. Aber doch auch nur in einer
schon sehr verkümmerten Gestalt. Denn die salischen Franken waren
schon zu lange vorher als römische Grenzhüter unter dem verderblichen
römischen Einstuß gewesen, als daß sie nicht vom echten Gernranenthum
das Beste schon hätten verlieren müssen: deutsche Treue, Redlichkeit und
Gottesfurcht. Darum konnte mit der Zeit ein so großer Riß geschehen
zwischen den französischen Franken und ihren eheinaligen deutschen
Brüdern, und eine so freundliche Annäherung und Vermischung der
römischen Südgallier mit ihren nördlichen Beherrschern.
§. 11. Gründung des Osigot henreichs. Katholische und
arianische Fürsten.
So hatten sich denn auf den Trümmern des westlichen Römer-
reichs zunächst (wenn wir von Britannien absehen) vier neue germa-
nische Reiche erhoben. Das jüngste von ihnen, das Frankenreich,
welches nach Chlodwig's Tode auch das Burgunderreich vol-
lends verschlang, war das am meisten keltisch-römisch gebliebene, am
wenigsten von neuem germanischen Lebenselement erfüllte Land.
Aber es zog noch geraume Zeit neuen Zufluß frischer Kräfte aus
der engen Verbindung mit den echt germanisch gebliebenen Stämmen
am Rhein und diesseits des Rheins. Erst als d'iese Verbindung auf-
hörte, trat das eigentlich französische Wesen klar und kenntlich hervor.
Sodann aber: es war das einzige römisch-katholische Reich. Das
West gothenreich, aus Frankreich fast völlig verdrängt und über
die Pyrenäen zurückgeworfen^), erfüllte ganz Portugal und Spanien
und überwältigte auch das kleine Suevenreich daselbst. Das Van-
dalenreich im nördlichen Afrika hatte dort alle ehemals römischen
Besitzungen an sich gerissen, die Inseln des Mittelmeeres erobert und
mehrmals Italien und Rom selber bedroht. Beides waren echte
Germanenftaaten, mit germanischem Recht und Gesetz, aberden römi-
schen Unterthanen verhaßt, und durch den arianischen Glauben inner-
*) Nur die Provinzen Narbonne und Gaöconia blieben in den Händen der
Westgothen.
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Rhein Frankreich Frank- Britannien Rhein Rheins Frankreich Portugal Spanien Afrika Italien Rom Westgothen
Xviii. §. 5. Natur und Vorgeschichte der Araber. 303
Herren und Eigenthümern des Landes zu erheben, berufen war.
Und fürwahr nicht unebenbürtig waren die vielgespaltenen Stämme
der stolzen Araber den edlen Schaaren der freien Germanen. Von
gleichem Freiheitsdrang erfüllt, kriegerisch, hochgesinnt, edelmüthig,
gastfrei, mäßig, Verächter aller Weichlichkeit, Feinde alles Lurus,
ohne Städte, in Hütten und Zelten unter freiem Himmel lebend, echte
Söhne der Natur, Kinder der Wildniß — so stellten sich die Araber
in ihren uralten Sitzen dar — ähnlich wie die Germanen, bevor sie
in die römischen Länder eindrangen. Aber bei aller Aehnlichkeit welch
ein Unterschied! So groß wie der Unterschied des nördlichen Deutsch-
land mit seinem damals eisig kalten Klima, seinen undurchdringlichen
Wäldern und Sümpfen — und des gluthheißen Arabiens mit seinen
endlosen Steppen, seinem Wüstenmeere und seinen üppigen Strichen
fruchtbaren Küstenlandes. Wo wir bei den Germanen übersprudelnde
Kraft sehen, ist bei den Arabern Alles überfluthende Leidenschaft, wo
bei den Germanen Reinheit und Keuschheit des Leibes und der Seele,
da bei den Arabern rohe Sinnlichkeit und furchtbare fleischliche Triebe;
bei den Germanen Heldenkampf wider sich selbst und sittliche Erhe-
bung über Roth und Lust, bei den Arabern Versinken in die Gebilde
einer glühenden Phantasie; bei den Germanen Einfachheit, Treue
und Wahrheit, bei den Arabern Schwärmerei und sinnliche Begeiste-
rung; bei jenen die Ehe rein, das Weib hochgeachtet, bei diesen Viel-
weiberei mit all ihrem Gefolge von Unzucht, Falschheit und Grau-
samkeit; dort eine Hingebung auf Tod und Leben an den Häuptling,
den Führer, den Gefolgsherrn, hier eine wilde Zersplitterung, da
Jeder für sich selbst sorgt und das Haupt zehnmal zu wechseln geneigt
ist. So hatten auch die Araber in ihrer heidnischen Religion keine
Spur von jenen tiefen Anklängen an die ewigen Wahrheiten des
Christenthums wie die Germanen, sondern nur ein wüstes Durchein-
ander von einer Masse Hausgötter, Himmelsgötter, Erd - und Wasser-
götter, und ihr Nationalheiligthum, der Kaabatempel zu Mecca, war
nichts weiter als der Sammelplatz der verschiedensten Götzen, die
jeder Staimn hinzubrachte. Eins aber hatten die Araber doch noch
aus uralter Zeit her behalten, nämlich daß es über allen Götzen
einen einigen Gott gebe, und daß dieser Gott kein anderer sei, als
den auch die Juden verehrten, die unter ihnen wohnten, und die
Christen, die zu ihnen aus der Fremde hinüberkamen.
Es wohnten nämlich schon von den Zeiten der Königin von Saba
an (1 Kön. Io) jüdische Handelsleute in den südlichen Theilen Ara-
biens, und zu den verschiedenen Zeiten, da Mord und Graus Canaan
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Xix. §. 14. Einbruch der Normannen in die christliche Kirche. Z51
nun auch mit den germanischen Dänen und Normannen. Nur
mit dem Unterschiede, daß während jene frühesten Stämme alle zu
Lande sich hineingedrängt hatten, diese letzteren als echte Kinder des
Meeres, Seeräuber und Freibeuter, sich allesammt zu Schiffe setzten
und wo irgend eine christliche Küste ihnen offen stand, wo ein
schiffbarer Strom sie zu reichen Städten, Kirchen oder Abteien führte,
wo ein fruchtbares Ufergebiet ihnen reiche Ausbeute versprach, da so-
fort erschienen wie aus dem Meer entstiegene, wie vom Sturmwind
plötzlich herbeigeführte Heuschreckenschwärme, die Alles plünderten, ver-
heerten, verbrannten, was ihre kecken Hände nur zu erreichen ver-
mochten, und mit großer Beute beladen und vielen Gefangenen in ihre
arme, kalte, unwirthliche Heimath zurückkehrten. So drangen sie ein
in die Ströme Englands, Frankreichs, ja selbst Spaniens und Ita-
liens und plünderten mit demselben ungestraften Uebermuth (denn das
früher unter Karl dem Großen so gewaltige Frankreich war unter
seinen Nachfolgern wehrlos jedem kühnen Feinde preisgegeben) Ham-
burg an der Elbe und Toulouse an der Garonne, Paris und London,
Köln am Rhein und Lissabon am Tajo, ja sie wagten sich sogar vor
Rom und Constantinopel. Den meisten dieser schrecklichen Seekönige,
die einen ungeheuren Jammer über das gesammte Frankenreich verbrei-
teten, kam es freilich nur darauf an, zu rauben und sich einen berühm-
ten Namen zu machen. Aber etliche hatten es ausdrücklich auf Land-
besitz abgesehen. Dem tapfern angelsächsischen König von England
Alfred dem Großen (871—901) und seinen Nachfolgern trotzten sie
große Stücke des englischen Bodens ab, ja eine geraume Zeit (wäh-
rend der ersten Hälfte deö Ii. Jahrhunderts) waren Dänen die Be-
herrscher Englands, dänische Könige saßen auf dem englischen Thron
und traten hier mit ihrem ganzen Volk zum Christenthum über.
Schon viel früher, schon seit 815 hatten sich normannische Heer-
führer im nördlichen Frankreich festgesetzt und da die schwachen Ka-
rolinger sie nicht wieder zu vertreiben vermochten, so mußten sie ihnen
endlich die ganze Bretagne und Normandie abtreten (912). Auch
diese traten sofort mit allen ihren Leuten zum Christenthum über.
Von diesem Punkt aus breiteten sich die kühnen Seehelden weiter
nach zwei Seiten hin aus: nach Sicilien und Unter-Italien und nach
Britannien. Sicilien gewannen sie aus den Händen ver Araber,
Griechen und Longobarden, die sich darum stritten und Robert
Guiscard gründete ein herrliches Normannenreich au diesem süd-
lichsten Punkt Europa's (1032). Ein anderer Eroberungszug ging
von der Normandie nach der Küste Englands hinüber, wo die Sach-
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: Karl Robert
Guiscard
Extrahierte Ortsnamen: Englands Frankreichs Spaniens Frankreich Toulouse Paris London Rhein Lissabon Constantinopel Englands Frankreich Sicilien Britannien Englands